Kalser Tauern Trail – Mein bisher längstes Rennen

Kurz nach 02 Uhr morgens (oder besser gesagt nachts). Mein Wecker klingelt. Augen auf. Sofort bin ich hellwach. Mein „Der-Morgen-vorm-Wettbewerb-Ritual“ beginnt: Duschen, Laufkleidung anziehen, Kaffee trinken, Trinkblase auffüllen. Nur das Frühstück lasse ich aus. Dafür habe ich später noch genügend Zeit. Den Rest habe ich gestern Abend schon vorbereitet – so sicher ist es dann auch wieder nicht, dass ich um diese Uhrzeit an alles denke. Eine Stunde später bin ich fertig. Als ich mein Auto starte, um das heutige Abenteuer „Kalser Tauern Trail“ im Rahmen des „Großglockner Ultra-Trails“ zu beginnen, weiß ich noch nicht, WIE abenteuerlich es wird…

Eine weite Anreise…

Um 03:45 waren wir im Start- und Zielgelände in Kaprun. Natürlich zu früh, aber nichts ist schlimmer, als schon gestresst zum Start zu kommen. Langsam trudelten immer mehr LäuferInnen auf dem Parkplatz ein, die meisten mit einem ähnlich verschlafenen Gesicht wie ich. Aber die Stimmung war gut. Und die Zeit verging recht flott, bis die Busse in Richtung Kals aufbrachen. Im Bus war es angenehm ruhig. Viele nutzten die rund 1,5-stündige Fahrt für ein bisschen Schlaf. Auch ich „kippte“ ein paar Mal weg, bis mein Kopf jedes Mal wegkippte und ich wieder wach war. Aber das war egal. Ich genoss die Ruhe und das Naturschauspiel, als es plötzlich zu dämmern begann. Der klare Himmel versprach einen wunderschönen Tag. Außerdem musste ich frühstücken. Das war sowieso wichtiger als schlafen.

Bald war Kals erreicht. Wir folgten den anderen in den Musikpavillon, der gleichzeitig die Labestation für jene war, die 75 oder 110 Kilometer liefen. Immer wieder kam einer von ihnen bei uns vorbei und wurde kräftig angefeuert. Die Wartezeit vertrieben wir uns mit Kaffee und dem zweiten Teil des Frühstücks. In einem kurzen Race-Briefing wurde erwähnt, dass wir „am Weg von den Stauseen nach Kaprun nicht IN den Tunnel, sondern daneben vorbei laufen“ sollten. Diese Schlüsselstelle ist zwar sicher erwähnenswert, aber man hätte mir ruhig auch sagen können, dass ich heute noch über Schneefelder rutschen, felsige Wege bergauf und bergab laufen und teilweise „alle Viere“ brauchen werde, um die 50 Kilometer und 2000 Höhenmeter zu bewältigen 😉

Kurz vorm Start
Da sind wird noch frisch und munter… 😉

Auf los geht’s los

Im Startbereich versuchten wir uns ein bisschen weiter vorne aufzustellen. Wenn man nach den ersten 12 eher flachen Kilometern zu weit hinten ist, steht man bergauf in der Schlange, hieß es. Dann kann man nicht mehr überholen bis man den ersten Anstieg geschafft hat, hieß es. In Wirklichkeit waren es 12 leicht ansteigende Kilometer, meist auf Forststraßen. Zum Überholen also Platz genug. Ich wurde überholt, ich überholte. Und ich genoss die beeindruckende Bergkulisse. Umgeben von vielen 3000ern, den Großglockner immer im Blick. Im Tal noch schattig, wurden die Bergspitzen schon von der Morgensonne beschienen. Die Luft war wunderbar frisch und angenehm kühl. Die erste Labestation am Kalser Tauernhaus bot Wasser und alkoholfreies Bier, von welchem ich mir einen Schluck gönnte.

Kurz danach ging es zum ersten Mal wirklich bergauf. Und es war traumhaft schön. Plötzlich hörte ich auch noch Weisenbläser. Gänsehaut pur. Fast schon ein bisschen kitischg. Die Musik wurde immer lauter und ich sah auch meinen MitstreiterInnen an, wie sehr sie diese musikalische Umrahmung berührte.

Bergspitzen in der Morgensonne
Am Weg hinauf zum Kalser Tauern…

Danach führte ein schmaler Weg hinauf zum Kalser Tauern auf 2518 m Seehöhe. Unglaublich mächtige Berge um uns herum, von der Sonne erleuchtete Schneefelder, eine bunte Blumenpracht neben dem Weg – ich kam aus dem Staunen nicht heraus. Überholen war auf diesem Abschnitt nicht so einfach, aber ich fühlte mich auf meinem Platz sehr wohl und wir kamen zügig hinauf.

Traumhafter Hintergrund
Bei diesem Hintergrund kann man nur lachen 🙂

Oben angekommen, konnte ich bald die Rudolfshütte sehen. Wie passend, dass dort die erste große Verpflegungsstelle war, denn mein Magen meldete sich schon. Ich war ja auch bereits etwa 2,5 Stunden unterwegs. Als ich dort war, begeisterte mich die riesige Auswahl völlig (mein Hunger hat vielleicht ein bisschen dazu beigetragen, dass ich sie sooo toll fand): Nudeln mit verschiedenen Soßen, Suppe, Wurst, Käse, Kuchen, Schokolade, diverse Obstsorten, Brezerl, Tomaten, und und und.. Es schmeckte wunderbar und ich genoss die kurze Verschnaufpause so richtig.
Mittlerweile waren mir ein paar Gesichter schon von unterwegs bekannt und ich traf dort einige wieder. Alle waren gut gelaunt, ließen sich beim Essen Zeit und füllten ihre Trinkgefäße auf, bevor es weiter ging.

Atemberaubend – Im wahrsten Sinne des Wortes

Schon bald war ich froh, ordentlich gegessen und getrunken zu haben. Vor allem über den Zucker, den ich in Form von Cola, Kuchen, Obst, etc. zu mir genommen hatte. Denn der weitere Weg forderte einiges an Konzentration. Teilweise war es ziemlich rutschig und hohe Stufen machten es nicht gerade leichter. Nach einer Weile bergab folgte der nächste Anstieg. Das Kapruner Törl (2639m) war der höchste Punkt, den es nun zu erreichen galt.
Und der Weg dorthin war atemberaubend: Einerseits, weil die Sonne auf den steinigen Weg knallte, ich bereits über 20 km in den Beinen hatte und es der Anstieg ganz schön in sich hatte. Andererseits, weil die karge Bergkulisse derartig beeindruckend war, dass ich es fast nicht glauben konnte, tatsächlich hier zu sein. Die Trailrunner schauten in ihrer farbenfrohen Kleidung aus wie eine bunte Schlange, die sich vor dem sonst so grauen Hintergrund ihren Weg hinauf bahnte.
Mir wurde schon fast ein bisschen schummrig, als sich zum Glück eine Wolke vor die Sonne schob. Das erleichterte mir den Anstieg.

Steiniger Weg
Hinauf zum Kapruner Törl

Oben angekommen war ich fast ein bisschen geschockt, als ich sah, wie es auf der anderen Seite hinunter ging: Ein steiler Weg, große, sehr große Steine, Schnee. Ohne Pause lief ich weiter. Was ich hinter mir habe, habe ich hinter mir. Aber so schnell ging es nicht. Immer wieder musste ich kurz warten, weil die heiklen Stellen nicht jedermann so schnell überwinden konnte. Oder ich musste warten, weil ich selbst nicht wusste, wie ich den nächsten Felsen am besten überqueren sollte. Praktisch, wenn da jemand trittsicher vorbeisaust und die richtigen Schritte vorzeigt. Auch wenn das bei mir vermutlich nicht so elegant aussah 😉
Trotzdem genoss ich es. Und die Schwierigkeiten nahm ich so gut es ging mit Humor. Humor hat auch ein etwas älterer Herr bewiesen, der auf einem schneebedeckten Felsen ausrutschte und dabei seinen Stecken abgebrochen hatte. Bei den Worten „Dieses sch*** Trailrunning“ musste er selber lachen und steckte damit alle rund um ihn an. Ich war ein bisschen weiter vorne und konnte mich gar nicht mehr einfangen vor Lachen. Ein erstes Anzeichen, dass der Sauerstoff in meinem Hirn weniger wurde. Denn soo lustig war es eigentlich gar nicht 🙂

Abstieg nach dem Kapruner Törl
Am Weg vom Kapruner Törl hinunter…

Vom Schnee zum See

Das nächste Highlight waren die „Abfahrten“ über die Schneefelder. In die Hocke, fertig, los.  Anfangs noch ein bisschen wackelig, ging es bald recht flott voran und das Runterrutschen machte richtig Spaß. Außerdem gab es für mich keine Alternative – im Gehen hätte ich ewig gebraucht. So verlor ich rasch einiges an Höhe und bald fand ich mich auf dem Weg entlang des Stausees Mooserboden wieder, den ich schon seit dem Kapruner Törl im Blick hatte.

Beeindruckende Kulisse
Über Fels und Schnee bergab…
Bergpanorama
Traumhafte Kulisse

An jedem Bach, der seitlich in Richtung See hinunter rauschte, machte ich eine Trinkpause und schüttete mir einen Becher Wasser über den Kopf. Der glühte schon seit einer Weile und da tat das kühle Nass einfach nur gut.
Ein paar Mal wurde ich von Läufern der 75- und 110-km-Strecke überholt. Unfassbar, wie weit diese schon unterwegs waren. Bei dieser Hitze. Für mich war es so schon anstrengend genug.

Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichte ich dann die Staumauer, auf der es nur so von Touristen wimmelte. Angefeuert wurde man da von niemandem. Höchstens komisch angeschaut, aber das war mir egal. Ich freute mich auf die nächste Verpflegungsstelle 😉
Dort nahm ich mir nochmal ausgiebig Zeit und aß alles, worauf ich Lust hatte: Wurst, Käse, Tomaten, Brot und Kuchen. Dazu Cola und Wasser. Wie schon bei der ersten Labestation war das Helfer-Team extrem freundlich, gut gelaunt und motivierend.
Mit aufgefüllter Trinkblase und einer Banane in der Hand machte ich mich auf den Weg. Ab jetzt ging es zwar nur mehr bergab, aber das noch etwa 18 Kilometer lang. Bei über 30 Grad. Im Schatten.

 

Die Hitze macht sich bemerkbar – Körperlich und geistig

Ich fühlte mich wieder wohler und freute mich, dass ich nun endlich richtig bergab laufen konnte. Mittlerweile weiß ich schon, dass mir diese Abschnitte besonders liegen. Allzu lange dauerte es nicht, bis ich die ersten LäuferInnen einholte. Abwechselnd auf schmalen Wegen und auf der Straße ging es immer weiter talwärts und vor allem am Asphalt war ich ziemlich schnell.
Weiter unten wollte ich mitzählen, wie viele Personen ich überholte. Das würde die Zeit vielleicht schneller vergehen lassen. Leichter gesagt als getan. Waren es jetzt 4 oder 5? Waren das gerade wirklich Trailrunner oder Wanderer? Hat der eine Startnummer oder nicht? Bin ich jetzt bei 7 oder 9? Bald ließ ich es wieder bleiben, es war einfach zu anstrengend. Ein nächstes Anzeichen von zu wenig Sauerstoff in meinem Hirn 😉

Bei der letzten Labestation gab es noch einmal Wasser. Ein Becher in den Mund, ein Becher in die Trinkblase, ein Becher über den Kopf.

Und dann wieder weiter. Es wurde immer heißer, die Sonne brannte auf meiner Haut. Hoffentlich wird der Sonnenbrand nicht allzu schlimm. Und hoffentlich verdurste ich nicht. Das waren meine größten Sorgen. Obwohl in meinem Rucksack 1 Liter Flüssigkeit und Sonnencreme waren. Aber jetzt noch einschmieren, wäre zu mühsam gewesen.
Ich hätte schon längst meiner Schwester Bescheid geben sollen, wie weit ich war, weil sie eventuell ins Ziel kommen wollte. Aber ich hatte bis 9 Kilometer vorm Ziel keinen Empfang. Dann endlich. „Ich bin völlig k.o.“. Sehr viel mehr brachte ich nicht heraus. „Es tut mir so leid, dass ich mich nicht melden konnte“ schaffte ich dann auch noch. Sie meinte nur, ich solle mir keine Sorgen machen. Sie sei schon am Weg zum Zielgelände und ich solle durchhalten. Ich war den Tränen nah. Ich war wirklich k.o. Nach dem Auflegen war ich noch fertiger. Die Vorfreude auf den Zieleinlauf und ihr Gesicht dort zu sehen war so groß und kostete gleichzeitig so viel Kraft, dass ich ein paar Schritte gehen musste, bevor ich weiterlaufen konnte.

Ein Kampf bis zum Schluss

Und dann folgte erst der wirklich harte Teil: Etwa 9 Kilometer nach Kaprun. So gut wie flach. Schwüle, heiße Luft. Müde Beine. Mir war schon schlecht von Gels und Iso-Getränken und nicht einmal mehr der Gedanke an ein kühles alkoholfreies Bier im Ziel konnte mich aufheitern. Mein Kopf sagte: „Gehe, du kannst nicht bis ins Ziel durchlaufen. Das schaffst du nicht“. Meine Beine sagten: „Laufen, laufen, laufen“. Ich glaube, ich bin die meiste Zeit gelaufen. Ganz genau weiß ich das nicht mehr. Ein Pause machte ich beim Bach, an dem ich mir wieder einmal Wasser über den Kopf schüttete.
Bei einer Unterführung  bin ich dann gegangen. Bis zum Schild, das anzeigte „1 km to go“. Den letzten Kilometer wollte ich durchlaufen, aber ich weiß tatsächlich nicht mehr, ob ich das wirklich getan habe. In einem Tunnel wurde mir zugerufen, dass es nur mehr 300 Meter sind.

Ich biss noch einmal die Zähne zusammen und lief dem Zielbogen entgegen. Mein Name stand auf der Anzeigetafel, daneben eine Zeit von über 8 Stunden. Und da war meine Schwester, jubelnd und mit einem aufmunternden Blick. Rauf auf die Rampe und rein ins Ziel. Ich hatte es tatsächlich erreicht. Ich fiel meiner Schwester um den Hals und war einfach nur dankbar, dass ich es geschafft hatte.

Zielfoto
…. hat wohl sichtlich seine Spuren hinterlassen… 😉

Das bisher härteste Rennen meines Lebens

Die ersten Minuten konnte ich weder was essen noch trinken. Später erzählte mir meine Schwester, dass ich ziemlich verwirrt war. Der Becher Wasser, den ich bekommen hatte, landete ein letztes Mal über meinem Kopf. Danach wurde es langsam besser und nach einem alkoholfreien Bier bekam ich langsam auch Hunger. Die Nudeln, die wir vom Veranstalter bekamen, schmeckten sogar richtig gut und eine angenehme Müdigkeit stellte sich bald ein.
Die Ergebnisliste zeigte mir eine Zeit von 08 Stunden 18 Minuten. So lange bin ich zuvor noch nie gelaufen.
In meiner Altersklasse erreichte ich den 21. Platz und von insgesamt 89 gewerteten Damen wurde ich 25.
Damit bin ich mehr als glücklich!! 🙂

Mein Fazit: Hartes Rennen, perfekte Organisation, atemberaubendes Bergpanorama.

Und unzählige PULSmomente 🙂

Endlich geschafft
Kaputt, aber glücklich… 🙂

 

 

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